spätherbst in tübingen
hier wird viel gesprochen
da fängt ein kind zu reden an
mit den händen
und mit dem kopf der mutter
alle dinge sollen benannt werden
ein baum ein bach ein bauch mein hauch
plötzlich da wird viel geschwiegen
und hier viel gesprochen viel viel
obwohl damals die dichterin sagte
in der stille verliert sich das wort
alles benannt
buchstabiert
angekündigt
gespalten
nichts ist zufällig
selbst der mensch
wie ein komma zwischen den spalten
da sind die dinge nicht benannt
nur angekündigt
und hier musste ich viel schweigen
während meines sprechens
und ich schwieg und schwieg
und ich schwieg weiter
sieben jahre schwieg ich
selbst wie ein komma zwischen den spalten
zwischen hier und da
den spalten meines lebens
da bei uns in dem bergdorf
so heißt es – soll man reden
wenn nichts besseres zu tun ist
meistens wird gesprochen
wenn man alleine ist
dann begleiten die worte die menschen
wie die schatten den leib
man redet mit den worten und über
die worte der anderen
hier habe ich gelernt
fragen zu stellen
dort hatte ich keine zeit
zeit war nur zum arbeiten
wenn man arbeitet hat man keine zeit
fragen zu stellen
auf dem felde bis spätabends
wenn wir nach hause kamen
hatte man keinen lust mehr
fragen zu stellen
ich war zu müde
zu traurig und es war zu dunkel
um fragen zu stellen
alle waren weg
worte fragen licht
nachttraurig war ich
was bringen dir die fragen
wozu weinst du
bringen deine fragen uns essen
die dinge über die du nachfragst existieren doch
ohne nach ihnen zu fragen
ein baum ist ein baum und wird ein baum sein
egal ob wir fragen stellen oder nicht
ohne fragen zu stellen konnten wir doch leben
aber ohne arbeit nicht
so sagte mir meine mutter damals
spalten
zwischen da und hier
zwischen fragen und arbeit
zwischen ich und eu
zwischen deutschem alter ego
und rumänischem